Es ist August 2019. Ich bekomme eine WhatsApp von meinem Kumpel Joe. Er schreibt mir von einem privaten Gewässer das niemand kennt und wo noch nie gezielt auf Karpfen geangelt worden sein soll. Mein Interesse ist sofort geweckt, da ich diese wilden und unbekannten Gewässer mag. Sie haben etwas besonderes ja was Mystisches. Unbekannte Fischbestände und Karpfen die völlig anders ticken wie ihre Kollegen in den überfischten Pools unserer Region. Ich weiß aus eigener Erfahrung das diese Fische nicht leicht zu fangen sind, da sie die Regeln der Karpfenangler nicht kennen. Ich habe mir in meiner Jugend schon manches Mal die Zähne an solchen Gewässern ausgebissen, bis ich den Schlüssel zum Erfolg irgendwann fand. Ok, zurück zum eigentlichen Geschehen. Mein Kumpel Kevin hatte den temporären Kontakt zum Eigentümer hergestellt. Dieser erlaubte uns für ein paar Male dort zu fischen, da er selber wissen wollte was in seinem See so rumschwimmt.
Es vergingen ein paar Tage bis ich zum ersten Mal mit Joe am Ufer des Sees stand. Kevin hatte seine erste Nacht dort verbracht und wir besuchten ihn. Er konnte gleich zwei Fische fangen, darunter ein guter Spiegler und ein kleinerer Schuppi. Beide auf Single Hookbaits am Spinner-Rig. Ein sehr gutes Zeichen, was den Fischbestand anging. Kevin hatte vor einzupacken, da er den Tag noch einiges zu erledigen hatte. Joe und ich liefen um den See und schauten uns potenzielle Plätze an. Viele gab es hier nicht, da der See völlig zugewachsen war und nur kleine Nischen bot, um evtl. die Ruten darin zu platzieren. Nach vollendetem Rundgang kamen wir wieder bei Kevin an. Wir unterhielten uns noch kurz über das Gewässer und philosophierten was wohl in diesem Wasser schwimmen könnte. Es kamen einige interessante Ansätze zusammen. Jeder hat ja seine eigene Meinung zu solchen Gewässern. Meine ist recht klar und basiert auf Erfahrungen die ich an solchen Gewässern machen konnte. Durch das fehlende Angelfutter der Karpfenangler rechnete ich nicht mit einem großen Bestand an kapitalen Fischen. Joe und Kevin sahen das Ganze etwas anders und träumten bereits von 20kg Fischen im hohen Ostfriesland. Das sind Gewichtsklassen die bei uns nicht allgegenwärtig sind, muss an dieser Stelle deutlich erwähnt werden. Nach der Unterhaltung fuhren wir wieder zurück und genoßen den restlichen Tag.
Bereits drei Wochen später hatte ich mir einen Tag Urlaub eingereicht. Ich wollte den Tag nutzen um mit dem Schlauchboot und Echolot einen genaueren Überblick über das Gewässer zu bekommen. Am See angekommen war der Aufbau Routine. Boot aufpumpen, Echolot anbauen und Essen und Trinken ins Boot legen. Dabei ist natürlich auch mein Handy, worauf sich eine GPS-App befindet. Diese App ist sehr hilfreich und ermöglicht das Einspeichern von Punkten und deren Benennung. Es war ein herrlicher Septembertag und ich genoß einen der letzten warmen Tage des Jahres. Nach etwa vier Stunden und gefühlten 15km Strecke war ich fertig. Ich konnte schöne Tiefen bis 16m finden. Darüber hinaus auch etliche monotone Bereiche zwischen 5m – 7,5m. Ideal für meine Futterangelei. Die Spots waren gespeichert und ich machte mich auf den Weg nach Hause, um das Futter für die nächste Session vorzubereiten. Ein Kumpel von uns konnte eine Woche vor diesem Bootstripp einen Spielger von etwas über 20kg fangen. Boom! Das ist mal eine Ansage. Ich war erstaunt, hatte ich doch nicht mit so einem Fisch in diesem See gerechnet.
Wie stellt man nun seine Futterstrategie auf? Was füttert man, wenn man keine Informationen zum Fischbestand hat? Grundsätzlich stelle ich mir immer folgende Fragen:
- Ist mit Beifängen zu rechnen?
- Gibt es Wasservögel, die die Plätze plündern?
- Wie groß schätze ich den Bestand ein?
- Ist mit großen Fischen zu rechnen?
- Haben die Fische bereits Erfahrung mit Angelködern gesammelt? (In 99% der Fälle ja!)
- Welches Ziel verfolge ich mit der Futtertaktik?
Ich arbeitete die Punkte ab und zog folgende Schlüsse. Andere Fischarten konnte ich nicht einschätzen, daher ein ungewisser Punkt. Wasservögel hatte ich gesehen, wusste aber nicht wie die auf eingebrachtes Futter reagieren. Ich ging davon aus, das sie neugierig sind und es versuchen werden. Daher plante ich ein wenig Futter für das Federvieh ein. Den Bestand kannte ich überhaupt nicht. Kevin hatte in der ersten Nacht zwei Fische gefangen. Das ist sehr gut, dennoch waren die vier folgenden Nächte bei ihm erfolglos, was mich misstrauisch machte. Ich ging mal von etwa 20 Fischen aus. Die Frage nach den Größen der Fische war ebenfalls nicht einfach zu beantworten. Es waren bis zu dem Zeitpunkt nur drei Fische rausgekommen in insgesamt 12 Nächten die meine Kumpels dort verbracht hatten. Ein mittlerer Schuppi um etwa 10kg und ein Spiegler mit einigen Kilos mehr auf den Rippen sowie der fette Spiegler mit etwas über 20kg. Den Bestand schätze ich zu dem Zeitpunkt gemischt ein und unterstellte ein Schnittgewicht von etwa 13-14kg. Mit Angelködern hatten die Fische wohl kaum Erfahrung gemacht. Zumindest mit Boilies schätzte ich das so ein. Die drei gefangenen Fische kamen auf Single-Hooks und in den weiteren Sessions von Kevin und den Kollegen wurde, wenn überhaupt, nur ein wenig vorgefüttert. Das reichte mir als Anhaltspunkt. Wie ich oben schon einmal erwähnt hatte war dieser See nicht der Erste, den ich unter solchen Bedingungen befischt hatte. Da ich Futterangler bin, steht meine Taktik auch meistens schon im Vorfeld fest. Im zweitägigen Intervall wollte ich dreimal vorfüttern. Geplant ist die erste Nacht von einem Donnerstag auf einen Freitag. Somit rechnete ich entsprechend die Futtertage zurück. Es war ja noch der Mittwoch, mein Urlaubstag. Somit hatte ich noch zwei Tage Zeit das Futter perfekt vorzubereiten. Ich bin noch immer in der glücklichen Lage einen Boilielieferanten zu haben der sehr viel Wert auf hochwertiges Futter legt. Natürlich sind diese Boilies nicht günstig, aber lieber Qualität als Quantität. Ich plante pro Tag vier Kilo Futter ein.
- 1,5kg Partikel in Form von Hanf und Tigernüssen
- 500 Gramm Groundbait
- 2 Kilo Boilies in 14mm und 18mm.
Alles zusammen „boostete“ ich so stark es ging. Ich verwendete zum boosten ein flüssiges Fischprotein und einen Aminosäurecocktail namens Minamino. Alles ließ ich über die nächsten Tage tief in die Köder einziehen. An jungfräulichen Gewässern hat mir diese Taktik mit rappevollen Attraktorbaits immer die Wende gebracht. Ich bin der festen Meinung das die Fische an solchen Gewässern einen Boilie nicht einfach so als essbar identifizieren. Durch die Aminosäuren, die auch in der natürlichen Nahrung vorkommen, wird ein Fresssignal ausgesendet welches die Fische dazu animiert die Köder aufzunehmen.
Forsetzung folgt…
Euer Thomas