Angeln an jungfräulichen Gewässern – Teil II

17 Jan, 2020Vom Wasser

Am Freitag war es dann soweit. Ich hatte mir bewusst eine Stelle ausgesucht an der ich den gesamten See überblicken konnte und im Notfall auch befischen könnte. Der Wasserstand war zu dem Zeitpunkt, aufgrund des Jahrhundertsommers 2018 noch immer recht niedrig. Der Grundwasserpegel konnte in den letzten 12 Monaten das alte Niveau nicht wieder erreichen. Damit war eine strategisch günstige Stelle gefunden. Da es bereits Ende August war und eine längere Hitzeperiode, gepaart mit einigen starken Winden vorangegangen war, ging ich von einer guten Durchmischung des Mittelwassers aus. Bei der Fahrt mit dem Schlauchboot einige Tage zuvor zeigte mir das Echolot die Sprungschicht bei sieben Meter an. Ich wählte einen Bereich mit einigen Plateaus und Tiefenverhältnissen zwischen 1,5-3,5m. Auf diesem Areal, welches etwa 50m² hatte, sollten später zwei der insgesamt vier Ruten liegen. Als zweiten Spot suchte ich mir einen monotonen Bodenverlauf mit etwa fünfeinhalb Metern Tiefe. Dieser Spot hatte etwa 100m². Ich mischte das gesamte Futter in einer Futterschale zusammen und fuhr es mit dem Futterboot raus. Die Luken meines RT4 machte ich bewusst nur halb voll, damit ich nicht so viel Futter auf einem Fleck liegen habe und die Fische die erste Bekanntschaft mit dem Boot machen konnten. Bis dato ging ich ganz stark davon aus das ein Futterboot zwar eine Scheuchwirkung hat, aber die Fische es nicht mit Angeldruck in Verbindung bringen. Stichwort Konditionierung!

Somit war das erste Füttern beendet. Diese Vorgehensweise wiederholte sich in den nächsten Tagen. Alle Tage liefen ähnlich ab, mit einem Unterschied. Das erste Mal war ich mutterseelenallein am Wasser. Mit der zweiten und dritten Fütterung konnte ich vermehrt Wasservögel wahrnehmen, die zwar nicht anfingen zu tauchen, aber in Lauerstellung am Ufer hockten.

Ein unbeschreibliches Gefühl an einem neuen Gewässer mit unbekanntem Fischbestand zu fischen.

Das erste Fischen stand an. Es war ein Donnerstag Ende August und die Erwartungshaltung war zwar groß, aber auch mit einem großen Fragezeichen behaftet. Dieser See brachte uns allen bis zu dem Zeitpunkt drei Fische in insgesamt etwa 12 Nächten. Das macht einen stutzig was den Fischbestand angeht. Darüber hinaus gab es noch keine Beifänge in Form von Brassen oder Schleien etc. Was für unsere Verhältnisse sehr ungewöhnlich ist. Somit führ ich gegen 16Uhr mit gemischten Gefühlen und beladenem Auto das erste Mal zum Privatsee. Das Wetter war sehr durchwachsen. Ein leichter Wind aus Südwest wehte und die Sonne gab sich mit den Wolken die Klinke ich die Hand. Mal Sonne, mal Wolken und hin und wieder ein kleiner Schauer. Eigentlich gute Voraussetzungen für die erste Session. Am See angekommen schleppte ich meine sieben Sachen ans Wasser. Ich baute, da es wieder nach Regen aussah, sofort mein Zelt auf. Ich räumte Liege etc. ein und bereitete die Ruten und das Futter vor. Es war bereits 18Uhr als ich die Ruten mithilfe meines Futterbootes auf die Spots fuhr. Alle vier Ruten lagen zu meiner vollsten Zufriedenheit. Als Köder verwendete ich an zwei Ruten einen Schneemann. Dieser bestand aus einem 18mm Bodenköder, der sich bereits seit einer Woche in einer Dose mit Dip befand und einem 14mm Mainline Essential Cell Pop-Up. Als Vorfach verwendete ich Fluorocarbon mit einer Länge von 20cm mit weichem Haar und einem 4er Wide Gape, den ich natürlich nachgeschärft hatte. Die anderen beiden Ruten fischte ich mit einem Spinner-Rig. Ein gelber und ein pinker Poppi sollten es richten.

Langsam wurde es dunkel und die innere Spannung stieg förmlich ins unermessliche. Was für ein Gefühl an einem neuen See mit unbekanntem Fischbestand zu sitzen. Die Plätze waren gut vorbereitet und die Motivation einen Fisch zu fangen war riesig. Ich genoss den Abend und gegen 20Uhr kam Manuel (Mo) vorbei. Wir redeten über den See und eine Anwohnerin brachte uns einen Früchtetee vorbei. Was für ein Service. Gegen 21Uhr fing es leicht an regnen. Wir standen draußen und ließen den recht warmen Nieselregen auf uns nieder gehen. Gegen 22Uhr bekam einen Vollrun auf eine der linken Ruten, die im Bereich der Plateaus lag. Ich nahm die Rute und drillte einen kräftigen Fisch. Die Knie wurden zitterich, da ich keine Ahnung hatte mit welcher Art von Kaliber ich es hier zu tun hatte. Der Drill schien endlos und Mo stand mit Watstiefeln und meinem Kescher im Wasser. Nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Fisch das erste Mal im Uferbereich an die Oberfläche. Ich konnte den Fisch nicht sehen, aber Mo sah im Schein seiner Kopflampe die Flanke eines Schuppi aufblitzen, bevor dieser wieder an der steilen Uferkante nach unten schoss. Im zweiten Anlauf korrigierte Mo seine Aussage und flüsterte ganz aufgeregt irgendetwas von großen Schuppen und Fully oder Zeiler oder etwas dergleichen. Ein Satz den er sich zu dem Zeitpunkt gerne hätte verkneifen können, da meine Anspannung dadurch nicht gerade weniger wurde. Kurze Zeit später lag der Fisch im Kescher und eine große Last fiel von meinen Schultern. Der erste Fisch war gefangen und das nach gerade einmal vier Stunden. Damit war die Session bereits perfekt. Auf der Matte schauten wir uns den Fisch an und ich war sprachlos. Die eine Seite war eine Halbzeile, die andere war mit einigen Einzelschuppen bestückt. War für ein Fisch! Wir wogen den Fisch und die Waage blieb bei über 15kg stehen. Meeega! Nach der spät abendlichen Fotosession verließ Mo mich und ich legte mich auf die Liege. Ich musste eine gute Portion Schlaf nachholen, da mein Sohn nicht gerade zu der Sorte Baby zählt die gerne durchschlafen. Ich schaute auf mein Handy, stellte den Wecker und schlief sehr zügig ein.

Ein wirklich schöner Fisch mit dem ich nicht in diesem See gerechnet hatte.

Plötzlich wurde ich wach. Vollrun auf einer der rechten Ruten. Ich rannte zur Rute und stand erneut mit einem Karpfen im Drill am Ufer des Sees. Es war 2Uhr nachts und der Fisch machte richtig Druck. Der Drill verlief aufgrund der freien Wasserfläche recht unproblematisch. Ich hatte alle Zeit der Welt den Fisch in Ruhe auszudrillen. Im Schein der Kopflampe sah ich einen großen Spiegler der beim ersten Kescherversuch direkt gelandet werden konnte. Unfassbar! Der zweite Fisch, damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wollte den Fisch ablichten hatte aber in der Dunkelheit keine Möglichkeit den Autofokus meiner Kamera über den Funkfernauslöser vernünftig anzusteuern. Die Kamera löste einfach nicht aus. Eigentlich bin ich kein großer Fan davon den Fisch in die Retainersling zu packen, aber ich machte eine Ausnahme, da der Fisch doch deutlich größer war wie der Erste. Nachdem ich die Rute mit Hilfe meines Futterbootes wieder auf dem Spot abgelegt hatte legte ich mich auf die Liege und versuchte in den Schlaf zu finden. Dieses war jedoch aufgrund des hohen Adrenalinspiegels nicht wirklich möglich. Ich nickte zwar immer wieder kurz ein, aber in einen vernünftigen Tiefschlaf fand ich nicht mehr. Morgens zum hell werden brühte ich mir erst einmal einen schönen Kaffee. Leicht gerädert von der Nacht schaute ich aufs Wasser und verspürte das Gefühl völliger Zufriedenheit. Ein Zustand, der in der heutigen Welt schwer zu erreichen ist und ich glaube das viele Menschen diese Momente gar nicht erst kennen. Ich schnappte mir meine Ultralight und versuchte Barsche mit kleinen Gummis zu zocken. Nach etwa fünf Würfen bekam ich den ersten Stachelritter ans Band. Guter Start. Kein Riese aber 20cm mag er wohl gehabt haben.

Der zweite Fisch des Session. Einfach unglaublich was sich dort abspielte.

Während ich den Fisch wieder sein Element entließ lief wieder eine der Ruten ab. Der Biss war sehr komisch und glich eher einer Brasse. Der Hänger zog hoch und runter, aber es wurde keine Schnur von der Rolle gezogen. Ich wusste das Kevin dasselbe Phänomen bei seinem großen Spiegler hatte und ging zur Rute und nahm Kontakt auf. Ich spürte sofort ein großes Gewicht am anderen Ende der Schnur und mein Gegenüber fing langsam an sich in Bewegung zu setzen. Der Drill war anstrengend, da der Fisch sehr viel Kraft hatte, tief seine Bahnen zog und ich ihn nicht wirklich dirigieren konnte. Die Entfernung vom Spot zum späteren Ort wo ich ihn letzten Endes Keschern konnte betrug etwa 300m. Im Kescher lag ein massiver Schuppi vor mir mit einem sehr breiten Kreuz. Als ich den Kescher anhob war ich vom Gewicht sehr überrascht, da ich den Fisch nicht so schwer eingeschätzt hatte. Da lag er nun vor mir, mein bisher größter Schuppi. Was für ein Fisch! Die Session, die erst von Skepsis geprägt war, entpuppte sich zur wahren Traumsession. Ich verfrachtete den Schuppi für einen Augenblick in den Retainer um die Rute neu rauszufahren und das Kameraequipment aufzubauen. Nachdem die Rute lag kam Alex, ein Kumpel von mir, und wollte ein bisschen auf Barsch angeln. Wir schnackten kurz und er erklärte sich bereit die Fotos vom Schuppi zu machen. Ich wollte gerade zum Fisch laufen, da lief die gerade erst rausgefahrene Rute erneut ab. Der Biss ähnelte sehr dem des Schuppi und ich nahm sofort Kontakt auf. Der Drill war wieder kräfteraubend und mein Gegenüber war wieder ein Fisch der gehobenen Klasse, dass stand fest. Alex begleitete das Spektakel und half mir den Fisch zu landen. Im Kescher lag wieder ein richtig guter Fisch. Ein fetter Spiegler, ein richtig fetter Spiegler! Übermannt von den Geschehnissen und Emotionen musste ich mich erstmal sammeln. Im Kescher lag ein Fisch der absoluten Extraklasse. Wir lichteten in diesem Atemzug die Fische ab und ich fuhr die Rute erneut raus.

Ein richtiges Brett von einem Schuppi. Kompakt, breit und sehr kampfstark.
Der krönende Abschluss einer unfassbaren Session. Sowas erlebt man nur selten.

Alex zog mit der Spinnrute um den See und stellte den Barschen nach. Ich schaue ihm aus der Ferne zu und sah wie er unter anderem einen 49er Barsch fing. Was für ein kranker See! Ich begann langsam meine Sachen zusammenzupacken und genoss den Moment noch. Nachdem die Sachen im Auto verstaut waren und ich auf dem Weg nach Hause war, war ich erst wieder in der Realität angekommen. Das war eine Session der Superlative. Vier dicke Fische aus einem See mit unbekanntem Bestand. Damit hatte ich nicht gerechnet, da ich der festen Überzeugung war das dieses aufgrund der schlechten klimatischen Voraussetzungen und des normalerweise recht nährstoffarmen Wassers in unserer Region sehr unwahrscheinlich war.  Was mag da wohl noch möglich sein? Wir werden sehen. Ohja, der letzte Spiegler war der Spiegler den der Kumpel zwei Wochen vorher fangen konnte. Somit der erste Wiederfang. Zufall oder ist der Bestand doch recht dünn?

Forsetzung folgt…

Euer Thomas